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Werner Terpitz
April 2000
Limericks mit geschütteltem Tripelreim

Vorbemerkung

Der Schüttelreim ist normalerweise ein Doppelreim; er entsteht bekanntlich durch Austausch der Anfangskonsonanten der beiden Reimwörter. Er ist aber auch als Tripelreim denkbar. Dann gibt es eine Art Ringtausch der Konsonanten vom ersten zum zweiten, vom zweiten zum dritten und vom dritten zum ersten Reim - oder umgekehrt. Das Ergebnis sind dann nicht zwei Doppelreim-Zeilen, sondern drei Zeilen mit je drei Reimwörtern bzw. Reimsilben, wobei die verbindenden Silben in allen Zeilen identisch sind.

1. Diskussion in der HEILEN WELT
    In der ersten Ausgabe der HEILEN WELT (1/95, S. 20 ff.) beschäftigt sich Wilfried Hornstein mit der Frage, ob es möglich ist, Limericks mit Schüttelreimen zu machen. Er erinnert daran, daß sich auf die Zeile 1 nicht nur die Zeile 2, sondern auch die Zeile 5 reimen müsse, ein Schüttelreim als Doppelreim aber nur schwer im Dreierpack vorstellbar sei. Hornstein sieht dennoch zwei Möglichkeiten:
    a) Schüttelreim als Doppelreim - Steht bei einem Schüttelreim am Anfang nicht ein einzelner Konsonant, sondern ein Block aus mehreren Konsonanten, so nimmt dieser beim echten Schüttelreim als ganzer am  Austausch teil. Man kann aber einen weiteren, dem Schüttelreim ähnlichen Reim gewinnen, wenn man den Konsonantenblock aufspaltet, und nur einen Teil davon austauscht. Manchmal entstehen bei diesem Verfahren neue sinnvolle Wörter. Hornstein bringt dazu folgendes Beispiel, das zahlreiche Nachahmer gefunden hat:

Die Dirigentin

Stets suchte Frau Loben zu Preiten
todschick ihre Proben zu leiten.
Sie spürt: Das gefiel!
Doch führt das Gespiel
mit den sündteuren Roben zu Pleiten ...

Da ich diese unechten Schüttelreime nie so recht befriedigend fand, versuchte ich es mit reimbaren Wendungen, auf die nicht nur ein einziger Schüttelreim, sondern ein weiterer gleichlautender mit anderem Sinn möglich ist. Auch hierzu ein Beispiel:
Polizistenangst

Zwei Burschen vom Schreckensteine,
die klau'n und verstecken Schreine.
Da plötzlich, ein Po-
lizist! Oh Pein, oh!
Der schmeißt doch vor Schrecken Steine!

    b) Schüttelreim als Dreifachreim (Tripelreim) -   Hornstein, der davon ausgeht, daß sich beim Tripelreim im Limerick die Reime auf die drei Hebungen verteilen, bemerkt plastisch: „Nur der Auftakt wird von ihm verschont. Seine besondere Bosheit sind die vier Füllsilben, die er uns zwischen der ersten und der letzten Hebung serviert“. Er bringt ein Nonsens-Beispiel mit Nichtwörtern und kommt zu dem Ergebnis, daß der Tripelreim für den Limerick wohl nicht verwendbar sei. Gleichwohl fordert er die Leser auf, es zu versuchen.
Schon in der zweiten Ausgabe der HEILEN WELT (2/95) finden sich die hier abgedruckten Versuche, der erste von Harry Eicke, der zweite von mir:
Unbewiesene Theorie

Wie in Essen, auch hier immer galt:
Oft macht Hessen auch Gier immer alt!
Selbst Regen und Gecken
entgegen (und Recken)
„habt gegessen auch ihr immer?“ hallt.
 

Der Hund zu Speyer

War in Speyer ein witziger Hund,
Den biß Heyer, ein spitziger, wund.
Und den blauen Sud,
dick wie Sauenblut,
trank am Weiher ein hitziger Spund.


2. Der variierte Tripel-Limerick als Zungenbrecher
    Nach wenigen einigermaßen gelungenen Versuchen wurde mir klar, daß es reizvoll sein müsse, besonders geeignete Reimwörter zu finden, die ein Variationsspiel ermöglichen. Ich suchte nach dreimal drei aufeinander reimbaren Wörtern mit jeweils denselben drei Anfangskonsonanten, die in jeder beliebigen Reihenfolge, in grammatisch einwandfreien Sätzen und ohne störende Inversionen in die Form des Limerick gefügt werden können. Meine Wahl fiel auf:

1. ziegen   lecken    wogen
2. liegen    wecken  zogen
5. wiegen  zecken   logen
Man kann die Reihenfolge der drei Wörter innerhalb der Zeilen immer wieder so ändern, daß jeweils ein anderer Tripelreim entsteht. Dann kann man die Zeilen vertauschen und mit dem Tauschen der Wörter von neuem beginnen. Durch derart systematisches Umstellen dieser neun Wörter kommt man auf 36 Tripelreim-Möglichkeiten. Die Hälfte davon habe ich unter Verwendung zweier zusätzlicher, leicht veränderbarer Schüttelreime für die beiden Kurzzeilen zu Limericks gefügt, die meisten schon 1996, den Rest kürzlich. Es war eine Strafarbeit! Entstanden sind Nonsens-Gedichte, die sich - unterstützt vom musikalischen Rhythmus des Limericks - hervorragend dazu eignen, hintereinander möglichst schnell und nahezu ohne Pause als Zungenbrecher gelesen zu werden. Als Autor auch dieses Produkts gilt, wie stets, mein alter ego:



Peter Wirrnetz
Variationen mit Ziegen und Zecken
 

Grundformen

1. Ungereimte Grundform (Arbeitsmodell A)

Es zogen die Wogen und logen.
Die Ziegen, die wiegen und liegen.
    Die sagen, die klagen:
    „Die Sauen, die klauen!“
Die Zecken, die wecken und lecken.

2. Gereimte Grundform (Arbeitsmodell B)

Es zogen die Ziegen und Zecken
zu Wogen, die wiegen und wecken.
   Es sagen die Sauen:
   „Die klagen, die klauen!“
„Die logen, die liegen und lecken“!
 

3. Limerick in Schüttelreimen
    Basis für 36 Variationen

Die Ziegen, die lecken, sie wogen
im Liegen die Wecken. Sie zogen
   und klagten es Sauen
   und sagten: „Es klauen
beim Wiegen die Zecken!“ Sie logen!
 

Variationen
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1. Zeilenfolge des Basismodells  (Variationen innerhalb der Zeilen)
        Wortfolge:    1.  ziegen - lecken - wogen
                              2.  liegen - wecken - zogen
                              5.  wiegen - zecken - logen

1.
Die Ziegen, die lecken, sie wogen
im Liegen die Wecken. Sie zogen
   und klagten es Sauen
   und sagten: „Es klauen
beim Wiegen die Zecken!“ Sie logen!

2.
Die Ziegen, sie wogen mit Lecken
die Liegen. Sie zogen mit Wecken
   zu Sauen und klagten,
   „die klauen“, und sagten:
„Die Wiegen, sie logen mit Zecken“.

3.
Es lecken die Ziegen. Sie wogen
die Wecken, die liegen. Sie zogen
   zu Sauen und klagten,
   „die klauen“, und sagten:
„Die Zecken, die wiegen“. Sie logen.

4.
Es lecken die Wogen wir Ziegen.
Die Wecken, die zogen. Wir liegen
   bei Sauen und klagen.
   Die klauen und sagen:
„Die Zecken, die logen. Wir wiegen“.

5.
Die Wogen, die lecken die Ziegen.
Sie zogen die Wecken, die liegen.
   Da klagen die Sauen
   und sagen: „Die klauen
und logen, die Zecken, die wiegen“.

6.
Erwogen, die Ziegen zu lecken,
erzogen, die liegen, zu wecken,
   so klagen die Sauen,
   sie sagen, „die klauen,
und logen, die wiegen“, zu Zecken.

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2. Erste Zeile wie Basismodell,
    dessen Zeilen 2 und 5 miteinander vertauscht  (Variationen innerhalb der Zeilen)
     Limericks 7 - 12 (nicht ausgeführt)
        Wortfolge:    1.  ziegen - lecken - wogen
                              5.  wiegen - zecken - logen
                              2.  liegen - wecken - zogen

3.  Die zweite Zeile des Basismodells wird erste Zeile;
     dessen Zeile 1 wird Zeile 2 (Variationen innerhalb der Zeilen)
        Wortfolge:    2.  liegen - wecken - zogen
                              1.  ziegen - lecken - wogen
                              5.  wiegen - zecken - logen

13.
Das Liegen, durch Wecken erzogen,
wie Ziegen durch Lecken erwogen,
   wie Sauen so klagten,
   beim Klauen so sagten,
sei Wiegen durch Zecken erlogen!

14.
Im Liegen, erzogen durch Wecken,
die Ziegen erwogen durch Lecken
   der Sauen zu klagen
   das Klauen, zu sagen,
sei Wiegen, erlogen durch Zecken.

15.
Wir wecken, die liegen, und zogen
zum Lecken die Ziegen und wogen
   die Sauen, die klagten,
   „die  klauen“, und sagten:
„Die Zecken, die wiegen und logen!“

16.
Erst Wecken! Wir zogen die Liegen.
Dann Lecken! Wir wogen die Ziegen.
   Die klagten zu Sauen,
   die sagten zu klauen
die Zecken. Wir logen. Die wiegen.

17.
Erzogen zu wecken, die liegen,
erwogen zu lecken die Ziegen.
   So klagten die Sauen
   und sagten, „die klauen
und logen“, zu Zecken, die wiegen.

18.
Erzogen, die liegen, zu wecken,
erwogen die Ziegen zu lecken.
   So klagten es Sauen
   und sagten, „es klauen,
und logen die Wiegen“, zu Zecken.

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4.  Die zweite Zeile des Basismodells bleibt erste Zeile,
     dessen Zeile 1 wird Zeile 5  (Variationen innerhalb der Zeilen)
      Limericks 19 - 24 (nicht ausgeführt)
        Wortfolge:     2.  liegen - wecken - zogen)
                               5.  wiegen - zecken - logen)
                               1.  ziegen - lecken - wogen)

5.  Die fünfte Zeile des Basismodells wird erste Zeile;
     dessen Zeile 1 bleibt Zeile 5  (Variationen innerhalb der Zeilen)
        Wortfolge:     5. wiegen - zecken - logen
                               2.  liegen - wecken - zogen
                               1.  ziegen - lecken - wogen

25.
Es wiegen die Zecken. Sie logen:
„Dort liegen die Wecken!“ Sie zogen
   zu Sauen und klagten:
   „Die klauen!“ Und sagten:
„Die Ziegen, die lecken. Sie wogen!“

26.
„Die Wiegen“, belogen die Zecken
die Ziegen, „bewogen die lecken-
   den Sauen zu klagen,
   beim Klauen zu sagen:
„Die liegen, bezogen die Wecken!“

27.
Die Zecken, die logen zu wiegen
und wecken; die zogen zu liegen
   bei Sauen und klagen:
   „Die klauen“, und sagen,
„wir lecken die Wogen“, zu Ziegen.

28.
Laßt Zecken das Wiegen! Erlogen
das Wecken! Daß Liegen erzogen,
      das sagen, die klauen,
      beklagen die Sauen
als Lecken, das Ziegen erwogen.

29.
Erlogen, doch wiegen die Zecken!
Verzogen doch liegen die Wecken.
   Dies Sauen zu klagen,
   vom Klauen zu sagen,
erwogen doch Ziegen, die lecken.

30.
Ja, logen die Zecken auf Wiegen,
und zogen die Wecken auf Liegen?
   So klagten das Sauen
   und sagten, das Klauen
erwogen, die lecken, auf Ziegen.

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6.  Die fünfte Zeile des Basismodells bleibt erste Zeile,
     deren Zeile 2 wird Zeile 5  (Variationen innerhalb der Zeilen)
      Limericks 31- 36 (nicht ausgeführt)
        Wortfolge:    5.  wiegen - zecken - logen
                              1.  ziegen - lecken - wogen
                              2.  liegen - wecken - zogen



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