[Zurück zur Hauptseite]
[Zurück zum Forum]

Was ist ein Echoreim?

Werner Terpitz hat im Vorwort seines Buches „Schüttelreime und Echoreime des Peter Wirrnetz“ dem Echoreim drei Seiten gewidmet. Er schreibt: „Der Echoreim ist viel ärmer dran als der Schüttelreim. Er steht auch nicht im Meyer und auch im Brockhaus nicht (vergleichbar also dem Schicksal des Nasobems vor Morgensterns nachhaltiger Kritik!), und er wird in Wolfgang Kaysers Versschule nicht erwähnt. Offiziell gibt es ihn also gar nicht.“ 1
Terpitz gibt an, einmal einen Artikel darüber gelesen zu haben – möglicherweise wurde darin der Ausdruck Echoreim verwendet –, und nennt einige Beispiele aus dem Gedächtnis:

„»Zwölf Häuser hat der Rechtsanwalt;
die grenzen links und rechts an’n Wald.«
»Dem Maat ist auf der Mole kühle.
Ihm zittern alle Moleküle.«“ 2
Weiter schreibt er:
„Echoreime befinden sich in existenzbedrohender Nähe zu den von Dichtern und Versmachern zutiefst verachteten identischen Reimen, die heute mit gewisser Berechtigung allenfalls in der fünften Zeile eines Limericks geduldet werden. Dann reimt man eben ganz bewusst »brauchbar« auf »brauchbar« und »Stierkampf« auf »Stierkampf«. Echoreime sind demgegenüber gerade keine identischen Reime; sie klingen nur so (Mole kühle / Moleküle). Sie unterscheiden sich von jenen dadurch, daß bei ihnen nicht nur Silben, sondern Wörter, möglichst Wortverbindungen, gereimt werden, und daß der Sinn jeweils nicht identisch ist. Dafür ein weiteres Beispiel: Wasserwaage /... Wasser wage. Daher muß man auch nahezu identische Reime wie »Fliegen fliegen«, den Echoreimen zurechnen.“ 3
Eine gewisse Begriffsverwirrung rührt daher, dass z.B. Alfred Liede und Gerhard Grümmer die von Terpitz beschriebenen Echoreime als rührende Reime bezeichnen, Echoreime hingegen eine Variante des endschallenden Reims sind.
Was unter einem endschallenden Reim zu verstehen ist, erfahren wir z.B. von Alfred Liede:
„Wichtiger ist die Erweiterung des Endreims durch einen Nachhall. Oft sehr zierlich, ist sie überdies sehr verbreitet, denn zu ihr gehört vor allem der Echoreim, dem alle Schäferdichtung verfällt. Die einfachste Form der Erweiterung vertritt der endschallende Reim, wie ihn Schottel nennt, oder nach dem französischen Namen: der vers couronné. Er wiederholt die letzte Silbe oder die letzten Silben des Reimwortes wo möglich mit einem andern Wortsinn. In der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts schreibt Servius einen endschallenden Vers (als metrum echoicum) auf:
Exercet mentes fraternas grata malis lis.“ 4

Als ein weiteres Beispiel für endschallende Reime führt Liede das folgende Gedicht von Heinrich Seidel an:
 

Begnüge Dich, Liebste!
        An Eveline.
Motto:
Wohl kann ich Dich zum Chokoladenladen laden,
Doch nicht mit Dir in Baden-Baden baden.

Ich kann dir nicht, was andre schenken, schenken
Und nicht die Welt aus den Gelenken lenken,
Du darfst dich nicht auf Schmuck und Spitzen spitzen,
Wirst nicht mit mir auf goldnen Sitzen sitzen.
Jedoch, der ich des Dichters Habe habe,
Vermag es, daß dich and’re Labe labe:
Schon fühl’ ich es von Liederkeimen keimen,
Ich will sie dir in gold’nen Reimen reimen.“ 5


Der Echoreim wird nun vom endschallenden Reim abgeleitet.
„Der eigentliche Echoreim wiederholt nicht nur wie der endschallende das letzte Wort oder dessen letzte Silben, sondern antwortet in dieser Wiederholung zugleich auf eine im Vers gestellte Frage, auf einen Ausruf usw. Oft wird dabei der Lautbestand verändert und kaum auf die physikalischen Gesetze des Echos Rücksicht genommen. [...]
Als einen Übergang vom endschallenden zum Echoreim darf man Eichendorffs Waldhornecho betrachten:
 

Es tönet der Wälder Mund – und,
Wie das Getöne verhallt – hallt
Wieder Herz, Höhe und Grund – rund,
Ja, tust mir grüne Gewalt – Wald!“ 6


Etwas weiter schreibt Liede:
„Der rührende Reim spielt mit der Gleichheit der Reimwörter. Er verwendet das gleiche Wort als Reimwort, aber mit einem anderen Sinn, deshalb neigt er stark zum Wortspiel.“ 7

Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass der rührende Reim die Reimart ist, die Terpitz Echoreim nennt.
Dazu schreibt Waltraud Puzicha:
„Für Echoreime, die auch Zwillingsreime genannt werden, verwendet man Reimwörter, die bei gleichem Klang und gleicher oder abweichender Schreibweise eine andere Bedeutung haben, z.B.

Fest steht, so mancher Vater schafft
auch auswärts eine Vaterschaft.
[...]
Mehrfachreime sind bei den Echoreimen keine Seltenheit, man muss sie nur finden.“ 8
 

J.R.


1 Werner Terpitz, Schüttelreime und Echoreime des Peter Wirrnetz, Stuttgart, 1992, S. 17.
2 Ebd. S.17.
3 Ebd. S.18.
4 Alfred Liede, Dichtung als Spiel, Band 2, 2. Aufl., Berlin, 1992, S. 132-133.
5 Ebd. S. 135.
6 Ebd. S. 136.
7 Ebd. S. 142.
8 Waltraud Puzicha, Gemischte Doppelspiele, Books on Demand, 2001, S. 70.


[Zurück zum Forum]
[Zurück zum Forum]