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Frühe Schüttelreime
Fliegende Blätter
Ulk
Jugend
Berliner Illustrirte Zeitung
Muttersprache

Harun Dolfs
Erich Mühsam

   
Schüttelreime aus der „Muttersprache“
 

In Muttersprache wurde 1925 die 1886 gegründete Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins umbenannt, nachdem sie kurzfristig von 1923 - 1924 den Titel Zeitschrift des deutschen Sprachvereins getragen hatte. Die Zeitschrift erscheint heute noch mit dem Untertitel Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache.
Sie gehört vom Typ her zu einer ganz anderen Gattung als die satirischen bzw. humoristischen Titel wie Fliegende Blätter, Ulk oder Jugend. Ihr Ziel war in erster Linie nicht Unterhaltung, sondern Sprachpflege und Sprachreinhaltung - der Abdruck von Schüttelreimen fällt insofern hier etwas aus dem Rahmen und ist auch nur für die Jahre 1928 bis 1931 nachweisbar geprüft wurden die Jahrgänge von 1900 bis 1935.
Die Zweizeiler sind in aller Regel durchschnittlich, die längeren Gedichte zeigen jedoch oft schon erstaunliche Gestaltungsmöglichkeiten und beweisen, daß bereits damals längere inhaltliche Zusammenhänge kunstfertig in Schüttelreimen dargestellt werden konnten.
Die Gedichte und Verse sind durchgängig mit Namen, oft auch mit einer Ortsangabe, manchmal sogar mit voller Anschrift gekennzeichnet. Trotzdem ist nur in wenigen Fällen ein biographischer Nachweis gelungen, so bei Johannes Herold (Lehrer, 1875 in Breslau geboren; eine im Wer ist wer von 1935 genannte Veröffentlichung mit dem Titel Schüttelreime ist nirgends nachweisbar), bei Karl Mumelter (Jurist und Schriftsteller, geboren 1875 in Bozen, 1945 verstorben, u. a. Vorsitzender des Vereins zur Pflege der deutschen Sprache in Wien) und schließlich bei Joseph Draf. 
Bei Draf, einem Vielschreiber in der Muttersprache, (im Jahrgang 43, 1928 einmal fälschlich Joseph Drach genannt) gelang es Manfred Hanke, mit der Ortsangabe „Hillesheim (Eifel)“ Draf auf die Spur zu kommen. Er hat diesen frühen Schüttelreimdichter in der Schütteleimzeitschrift Heile Welt, (Heft 2, 1995, S. 14 f.) ausführlich gewürdigt. Mit seiner Erlaubnis sei hier zitiert:
„ … Hillesheim antwortete: Und ob wir ihn kennen, er war 30 Jahre lang unser Eifel-Richter, Geheimer Justizrat, 1931 hier gestorben und begraben, ein Denkmal seiner selbst. Eine greise Schwiegertochter grub in der Schublade, eine Enkelin fand Hilfreiches.
Unsere Bücherverzeichnisse und Lexika erwähnen Draf nicht. Niemand verwahrt seine Hervorbringungen in dokumentarisch gehöriger Weise. Verwehte Spur, unausweichlich.
Ich trage nun endlich das Draf-Kapitel nach, ich fülle meine Chronik auf. Es lohnt. Ein deutscher Dichter, seine Feder lief leicht. Vor allem, er verdient unsere Hochachtung, denn er war der zweite in unserer Gilde, der ganze Gedichte verfaßte. Harun Dolfs, die Breslauer Vettern von 1896 (Hans Gradenwitz und Rudolf Skutsch in einem gemeinsamen Pseudonym) waren in der frühen Zeit ein Einzelfall geblieben, niemand vermochte in ihre Hohe Schule einzutreten.
Draf ist gebürtiger Kölner vom Jahrgang 1861, mithin zehn Jahre älter als Harun Dolfs. Der König von Preußen ernennt den Juristen, der in Barmen Recht spricht, 1894 zum Amtsrichter und als solcher folgt er im Jahre darauf einem Ruf an das Amtsgericht in Hillesheim, weit hinten in der hohen Eifel. Einzelrichter über das Städtchen und die umliegenden vierzig Dörfer. Ich kenne alte Richter, die das gern einmal geworden wären. Seinen Sprengel schreitet er zu Fuß ab, bei unermüdeter Ausdauer, er kennt jeden und alle. Er wanderte sein Leben lang, stand dem örtlichen Eifelverein vor und bereicherte die Geschichtsschreibung über seine Wahlheimat. Sieben Kinder. Sein König ernennt ihn zum Geheimen Justizrat.
Es gibt von Draf eine ebenso freimütige wie anmutsvolle Beschreibung, wie ein Beamter damals Herr seiner Zeit gewesen ist: „Ich tat meine Arbeit, die mich, dem Maße nach, nicht niederriß.“ Seinen Gedichte ist es abzulesen. Sie sind schlicht, melodisch, sauber.“
Bei den Unterlagen, die Manfred Hanke von Drafs Nachfahren erhielt, fand sich auch die Kopie eines Aufsatzes über Schüttelreime (Quelle nicht feststellbar) sowie weitere, an unbekannter Stelle veröffentlichte Schüttelreime. Diese Texte werden im Anhang abgedruckt, ohne eine Fundstelle angeben zu können.

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Der Mückenstich
Es stach zuerst die Mücke dich,
sodann stach sie voll Tücke mich.
Sie stach aus freien Stücken mich,
drum schmerzt noch mehr der Mückenstich!
Die Mücke hat sich, wutgeblendet,
an mein unschuldig Blut gewendet,
und lag ich manche Stunde wach,
weil mich gar sehr die Wunde stach.
An diesem Beispiel kucke man,
was alles eine Mucke kann!
                                   Joseph Draf

Winterbild
Horch, wie vom Sturm die Scheiben rütteln,
sieh doch das Händereiben, -schütteln,
sieh all die vielen roten Nasen
und hör’ den Wind nach Noten rasen,
aus Nord und Ost den wilden Föhn
rauh über den Gefilden wehn!
Mag drauß das Eis in Klumpen hängen,
wir freu’n uns an der Humpen Klängen
und woll’n beim vollen Becher zeigen:
Kein Winter kann den Zecher beugen!
43 (1928) 1, Sp. 40  Joseph Draf
 

Der Schmaus
Zwei Männer speisten. Der eine schwor:
„Fürwahr, nichts Besseres als Schweineohr!
Du kannst mir glauben, o Schwager mein,
hab’ lieber ein fett’ als ein mager Schwein!“
Der andre sprach: „Nicht jeder liebt,
wenn‘s Braten, so zäh wie Leder, gibt!
Doch wird es Klöße von Leber geben,
hoch laß ich den freundlichen Geber leben!“
43 (1928) 3, Sp. 124  Joseph Draf
 

Bursch und Dirne
Willst Du goldiggrüne Reineclauden,
oder süße Kirschen, kleine roten,
oder frommt die saft’ge Birne dir?
Bring’ mir lieber, flinke Dirne, Bier!
Bringe mir ein Glas mit blankem Schaume,
lag’re dich zu mir an schlankem Baume!
Schön ist‘s, deiner Stimme Ton zu lauschen,
manchen Kuß, der Liebe Lohn, zu tauschen;
horch, von fern die Abendglocken läuten,
Winde sanft durch deine Locken gleiten.
Mag es drohend auch im Süden blitzen,
laß uns hier in Laub und Blüten sitzen!
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
 

Aus dem Tierleben
Am Fenster eine Spinne sitzt,
auf Mücken sie die Sinne spitzt.
Der Hund sich auf der Straße freut,
wenn man ihm Fleisch zum Fraße streut.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
43 (1928) 3, Sp. 124
 

Der überdrüssige Grundbuchrichter
Wer lange in das Grundbuch schaut,
dem bald vor diesem Schundbuch graut!
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
43 (1928) 3, Sp. 125

Der eifrige Leser
Ein Buch, das in vier Bänden endigt,
man nur mit Müh’ zu Ende bändigt.
                         Joseph Drach
 

Guter Rat
Wirst du dich leicht anpumpen lassen,
wohl könnt’ dies manchem Lumpen passen!
                         Joseph Drach
 

Geschmackssache
Mir ist lieber ein Schweiger und stummer Denker
als ein fader Schwätzer und dummer Stänker.
                          Joseph Drach
 

Richtlinie
Wohl dem, der in der stillen Welt
sich ganz in Gottes Willen stellt,
die Rede auf die Wage legt,
sein Wort in jeder Lage wägt.
43 (1928) 5, Sp. 205 Joseph Drach
 

Der Fuchsenfang
Am Baum im grünen runden Hut
der Jäger mit den Hunden ruht.
Die Brill’ er auf der Nase hat,
und sieht, ob sich kein Hase naht.
Ein Ziel bald seine Büchse fand:
‘s fiel einer aus der Füchse Band’.
Wie kläffte da die Hundemeut’!
Lob schallt aus jedem Munde heut’.
An einem Baum ein Fähnchen hing:
Tot ist, der Hühnchen, Hähnchen fing!
Auch jubeln Spatz und Finke flugs:
Tot ist er jetzt, der flinke Fuchs!
43 (1928) 5, Sp. 205 Joseph Drach
 

Mein Bäschen
Am Tor sah ich mein Bäschen Jettchen stehn,
sie wollte grade in das Städtchen gehn.
Ein Plättchen süßes Schokolädchen macht,
daß lieb und freundlich mir das Mädchen lacht.
Gar trefflich wird es meinem Bäschen nutzen,
wenn sie sich besser wollt’ das Näschen putzen!
43 (1928) 5, Sp. 205 Joseph Drach
 

Schüttelreime
Diesmal blieb in Hermeskeil
alles bei der Kermes heil.

Den Bauer packt ‘ne Riesenwut,
wenn man auf seinen Wiesen ruht.

Ist das nicht ein krasser Wahn?
Streicht mir dieses Lumpenpack
meinen alten Wasserkran
an mit neuem Pumpenlack

Es hängt bei manchem forschen Mädchen
die Tugend an ‘nem morschen Fädchen.

Sie nahm sich eine Boa mit
und kam dafür nach Moabit.
Stettin  Küll
43 (1928) 8/9, Sp. 367
 

Der Protz
Wenn ich zum Liebchen reite, bringe
ich als Geschenk ihm breite Ringe!
Breslau  Johannes Herold
43 (1928) 8/9, Sp. 367
 

Der Schutzmann
Wenn doch die Kerls mit langen Füßen
sich etwas leichter fangen ließen!
Breslau  Johannes Herold
43 (1928) 8/9, Sp. 367
 

Der kostbare Schlaf
Dem Freund, ist er im Zorn, sollst nicht dein Messer borgen,
sonst gellt der Schreckensruf in alle Winde: Blut!
Sag ihm, er wird den Streit beenden besser morgen,
denn eine Nacht dazwischen dämpft die blinde Wut.
München  Adolf v. Bally
43 (1928) 8/9, Sp. 367
 

Läuterung
Selten führen Menschen auf den Lippen Klagen,
die in Not schon an des Riffes Klippen lagen.
Stets vor Augen der Gewalten Stärke,
werden sie, ihr Tun: Gestalten, Werke.
München  Adolf v. Bally
43 (1928) 8/9, Sp. 368
 

Wanderlied
Wie kam‘s, daß ich ein andrer ward?
Ich zog hinaus nach Wandrer Art
und ließ des Rucksacks dicken Ranzen
vergnügt auf meinem Rücken tanzen.
Wohl dem, der jetzt sein Zimmer flieht,
wo rings des Lenzes Flimmer zieht!
Gar herrlich blüht mit Fleiße wieder
der lila und der weiße Flieder.
Wollt’ nicht am Meeresstrande leben,
wollt’ wandernd durch die Lande streben.
Ich füllte mir mit Fleiße rasch
voll kräft’gen Trunks die Reiseflasch’,
vom Baume klang der Meise Lied,
und fröhlich sang ich leise mit.
Saß mittags ich im Wetterbrand
an einer heißen Bretterwand,
konnt’ abends ich Blüten sitzen,
und mocht’ es auch im Süden blitzen:
bei einer Flasche Wein zu enden,
dagegen war nichts einzuwenden;
laßt‘s sprach ich g’nug der Worte sein,
bringt mir ‘ne gute Sorte Wein!
Der Wandrer, o, wie mag er lachen,
man wird ihm bald sein Lager machen;
wenn dann die Abendsonne winkt,
er gern hinein voll Wonne sinkt.
So ruht’ ich bis zum Morgen sacht,
weil ich mir keine Sorgen macht’.
Hillsheim (Eifel) Joseph Draf
43 (1928) 11, Sp. 447
 

Der Knabe schreit beim Halsbiegen Zeter.
Warum? Er hat den Ziegenpeter.

Nachts bei der zwölften Stunde Hall
heult‘s kläglich aus dem Hundestall.

Die eitle Wassernixe
schminkt sich mit nasser Wichse.
Erkner b. Berlin K. Kelling
43 (1928) 11, Sp. 447f.
 

Schüttelfieberphantasien
Einst sang ich schon dies scheene Lied,
als ich von meiner Lene schied.
Damit das Glück dich kose, laufe
zum Lotto und dort Lose kaufe!
Sie wird mich auf der Treppe schlagen,
will ich ihr nicht die Schleppe tragen!
Beim Fisch sind zwar die Kiemen rauh,
doch glaub’ nicht, daß er Riemen kau’!
Man muß gar weit die Lippen recken,
will man die eignen Rippen lecken!
Trinkt man zu viel und feine Biere,
braucht man zum Geh’n der Beine viere.
An einem schönen Sonntagmorgen
denkt niemand an die Montagsorgen.
Ein Mensch soll nie in Bügeleisen
und wenig nur in Igel beißen.
Man kann sehr hoch die Semmel schätzen
und sich sehr gern auf Schemel setzen,
doch daß man noch dem Diebe leuchte,
uns doch zuviel der Liebe deuchte!
Hör’ auf, du böser Schüttelknabe,
daß dich nicht noch der Knüttel schabe!
Breslau 16  Johannes Herold
44 (1929) 1, Sp. 47
 

Kneiperei in Schüttelreimen
Auf einem Gang durch Felder und durch Birkenwald
ein Recke rasten wollt’ nach diesem Wirken bald.
Ihm macht ein Feld mit langen Halmen Pein:
Hätt’ lieber einen schatt’gen Palmenhain.
Es hatten Dornen einer Heckenrose
gar arg zerfetzt des biedren Recken Hose.
So konnte er nicht gehn zum Hünenballe,
betreten nicht die prächt’ge Bühnenhalle;
drum ging er in ein übles Gotenzelt
und zahlte dort für arge Zoten Geld.
Dort stand die blonde Gotenmaid, die Käthe,
als schöne Schenkin schaffend an der Theke.
Sie bracht’ auf seinen Wunsch ein schönes Eisbein
und sagte lächelnd: „Hier mein Freund, nun beiß ein!“
Er tat‘s und hat mit roter Weine Reste
dabei beschmutzt die schöne reine Weste.
Drauf leerte er mit andern noch manch Bierfaß
und wollte fröhlich wandern wieder fürbaß,
da trat sein Schuster in das Schankgezelte;
mit dem fing an sogleich er Zank, Geschelte:
„Du hast mir jüngstens Tran verkauft als Schuhduft,
das ist Betrug, du Lump, du Gauner, du Schuft!“
Da er verzecht sein ganzes Geld, fast drei Frank,
gewährt die Käthe ihm noch einen Freitrank.
Und als sich nahte nun der Morgen sacht,
was übrigens ihm keine Sorgen macht,
bei Mondschein, wie so schön ihn nur der Mai hat,
da wandert stark bezecht er hin zur Heimat.
Und rings, als ob sie von ihm hätten Kunde,
da bellten wütend alle Kettenhunde.
Und plötzlich sah er eine steile Wand,
vor der taumelnd eine Weile stand;
dann wollt’ er müde gähnend sich da legen,
doch schlief er stehend, lehnend sich dagegen.
Erkner b. Berlin K. Kelling
Beuststr. 25
44 (1928) 7/8, Sp. 303
 

Das verregnete Wochenend
Gedicht in Schüttelreimen
Ist schön die Luft, das Wetter still,
gern auf das Land der Städter will,
das Wochenend zu feiern dort
und aus der Stadt, der teuern, fort.
Herrn Schulz packt auch die Wanderlust,
manch Fleckchen auf dem Land er wußt’,
wo man, statt ohne Sinn zu hetzen,
sich braucht nur ruhig hinzusetzen,
wo man auf schatt’gen Wegen geht.
Doch heut ihm Wind entgegenweht,
und ganz denselben fiesen Wind
er rings auf Feld und Wiesen find’t.
am Abend wollt er gerne stehn
und schauen, wie die Sterne gehn.
Doch zog heran aus Norden was,
davon ist er geworden naß,
und auf der „Week-end“-Reise lauscht
er wie der Regen leise rauscht!
Da er dem falschen Schein getraut,
hat er gar trüb dreingeschaut;
er hätte schließlich weinen mögen:
Nur Mißgeschick auf meinen Wegen!
Manch Glas er dann als Zecher leert,
was in die Kasse Löcher zehrt;
zum Schluß sind seine Mappen leer,
kein einz’ger brauner Lappen mehr!
Was soll er sich bis Montag sorgen?
Er reist drum heim schon Sonntag Morgen.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
44 (1929) 10, Sp. 383f.
 

Am Start
Gedicht in Schüttelreimen
Die Fahnen und Standarten wehn,
die Leute all’ erwarten den,
der heute morgen starten will,
da stehn sie nun und warten still.
Geduldig sie im Garten stehn:
Wann wird er endlich starten gehn?
Auch, die auf den Mansarden stehn,
die möchten gern ihn starten sehn.
Auf mancher Bank gar stehen zehn,
man sieht sie auf den Zehen stehn,
und mancher schon beim Gehen zuckt,
weil es ihm in den Zehen juckt;
stumpfsinnig er beim Warten stiert:
Ob er denn wohl bald starten wird?
Ein andrer bringt Kusinen mit,
die man mit frohen Mienen sieht.
Zwar es auch manchen Laffen gibt,
der nur das bloße Gaffen liebt.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
43 (1930) 1, Sp. 46
 

Mahnung
Du hättest soll’n die Witze sparen,
die voll gehäss’ger Spitze waren;
sei froh, daß dir ein Zähler fehlt,
der alle deine Fehler zählt!
Sollst nicht auf falsche Leute hören,
bald dies, bald das sie heute lehren,
sie freuen sich am frechen Spiel,
sie denken wenig, sprechen viel.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
45 (1930) 3, Sp. 127
 

Die gute Hausfrau
Der Haushalt gut von statten geht,
wenn Gattin treu zum Gatten steht,
der Hausfrau’npflicht mit Schonung waltet
und weise in der Wohnung schaltet.
 

Gestörter Schlaf
Wenn uns des Nachts ein Hündchen stört,
man schlagen manches Stündchen hört.
Im Mittagsschlaf die Base nickt,
‘ne Wesp’ ihr in die Nase pickt.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
 

Die durstigen Gymnasiasten
Nach Bier Gymnasiasten lechzen,
die unter Prüfungslasten ächzen.
 

Läufer, Säufer, Käufer
Im Lauf der schnellste Läufer siegt,
im Rinnstein oft der Säufer liegt;
zum Teppichhaus die Käufer laufen,
sie wollen schöne Läufer kaufen.
Hillesheim (Eifel) Joseph Draf
45 (1930) 3, Sp. 127
 

Ein Auto fuhr durch Gossensaß
und kam in eine Soßengaß,
wobei die ganze Gassensoß
sich über die Insassen goß.
(Aus der „Jugend“)
45 (1930) 3, Sp. 127
 

Herr „Töff“ mit seinem Rasselkasten
muß, abgestürzt, in Kassel rasten.
45 (1930) 3, Sp. 127 A. Bischoff
 

Weil die beiden Moppel dort
gar so greulich zwiegesungen,
hat durch einem Doppel-Mord
man zum Schweigen sie gezwungen.
45 (1930) 3, Sp. 127 Dekan Gürsching ?
 

(Berichtigung in Nr. 6, Spalte 239:
„H. Dolfs ist auch der Verfasser des Vierzeilers
auf die beiden musikalischen Moppel Sp. 127.“)
 

Der gordische Knoten
Vom großen Alexander melden Anekdoten:
Er kam nach Gordion, zog das Schwert und ade Knoten.
45 (1930) 3, Sp. 127 Dr. K. Mumelter
 

Der Selbstmörder
Er nahm ein leeres Wasserglas
dann tat in dieses Glas er was.
Und als er‘s wieder leer gemacht
da hat er niemals mehr gelacht.
 

Das Wunder
Mann über Bord! Am Heck ein Schrei;
ha! ihn verfolgt o Schreck! ein Hai.
Doch plötzlich sieh der Hai erschlafft.
Wieso, war allen schleierhaft.
 

Mutterstolz
Indem sie sich das Haar zur Seite strich,
sprach Käte, nur der Pöbel streite sich.
Es hab zwölf Pfund ihr Adolar gewogen,
als er zur Welt kam. Doch es war gelogen.
 

Der Oberprimaner
Bei der Tänz’rinnen bunten Seidenbeinen
fand er‘s verlockender als bei den Seinen.
Das kostete ihn mancher Nächte Schlummer,
und im Examen gab‘s ‘ne schlechte Nummer.
Hamburg  Harun Dolfs
Jungfrauenthal 35
45 (1930) 6, Sp. 239
 

Geschütteltes Reise=Erlebnis!
So gerne flieht die Sorgen man,
weshalb ich mal am Morgen sann:
„Wie wär‘s mit einer kleinen Reise?“
Schon drückt der Zug die reinen Gleise
und rast vorbei am Birkenwald,
die Kleinstadt sieht uns wirken bald,
im Traume wir versinken wollten,
Theaterfreuden winken sollten:
Man gab „Raub der Sabinerinnen“,
ich und der Freund Rabbiner sinnen,
ob wir das Stück mal wollten sehen,
Kulissenzauber sollten wehen
in jenem Städtchen neulich g’rad,
die „Jugendliche“ greulich naht
und mimte tappig, sachte, mies,
doch später besser machte sie‘s.
Man fand Direktor Striesen fein,
ließ Blumen ihm zu Füßen streu’n.
Auch sie kriegt’ einen Riesenstrauß,
doch alle riefen Striesen raus.
Nicht war der Heimfahrt Folterpein
bei Bummelzugs=Gepolter fein,
vor Wut von dem Gerüttel schäume
ich noch! Drum mach’ ich Schüttelreime!
Hechingen  Eugen Wolf
45 (1930) 7/8, Sp. 319
 

Schüttelreime
Wer flott war in der Jugend Tagen,
den sieht man im Alter nach Tugend jagen.

Was klagst du denn, du altes Haus?
Sei unverzagt und halt es aus!

Es ist in dieser Welt doch arg verkehrt:
Wer einst im Glück, wird bald nur karg verehrt.

Du weißt, daß öfters Triebe lügen,
drum laß dich nicht von Liebe trügen.

Wenn nah die Schar der Füchse bellt,
manch Schreckschuß aus der Büchse fällt.

Er tat ihr seine Liebe kund und hatt’se;
bald lebten sie wie Hund und Katze.
Trink nicht zu viel vom schweren Portwein,
sonst macht dir nachher jedes Wort Pein.
Leipzig  Paul Schwarzbach
Inselstraße 25
46 (1931) 3, Sp. 127
 

Der Besuch im Reithaus
Als hochwillkommner Rittergast
machst du am Logengitter Rast,
verdrehst zum Gruß dein blau Genick
und wirfst hinab der Augen Blick
dorthin, wo auf der Erde, Pfeilen
vergleichbar, muntre Pferde eilen.
Ob Vollblut, Ziege, Renner, Kuh,
das stört nicht deine Kennerruh’.
Du freust dich, wie die Bügel zeißeln,
die Pferde mit dem Zügel beißeln
und ihren Herrn mit Jubel tragen
und zur Musik im Trubel jagen.
Ich glaub’, wenn sie nur milder wären,
wärst du ein Freund so wilder Mähren;
würd’st auf sie mit Entzücken steigen
und dich in allen Stücken zeigen
als Reitermotz von so lokaler
Bedeutung; nichts wär’ kolossaler.
Doch flögst du mit dem guten Maule
herab vom hochgemuten Gaule
und müßtest kläglich weiter hinken,
dann würden alle heiter winken.
Schleswig  S. Heller
Chemnitzstraße 72
45 (1930) 11, Sp. 431)
 

Schüttel=Ulk
Der Pilger auf dem Bußpfad
nahm schnell nochmal ein Fußbad.
Er sah es ja im Hallenbad,
daß er sehr schmutz’ge Ballen hat.

Dann stieg er auf den Leiterwagen,
wo Koffer usw. lagen,
und fuhr in einen Birkenwald
Die Heidelbeeren wirken bald.
Schnell eilt er in die Hängematte,
von denen er die Menge hatte.
Er lauscht dem schönen, weichen Alt
der Nachtigall im Eichenwald.
Da plötzlich, fern im Wald im Mondschein,
ruft jemand ganz verzweifelt: „Schont mein
und nehmt mir nicht mein Fahrtengeld,
wie komm ich sonst nach Gartenfeld!“
Der Pilger war, seit Mai verrann,
ein sehr verständiger, reifer Mann.
Er eilt zur Stell’, welch Wiedersehn!
Am Boden liegend sieht er „wen“?
Den ihm bekannten Maler Sander
in Schuhn der Firma Salamander.
Ihn hielt ein Mensch mit Kreidehaut
Sie wälzten sich im Heidekraut.
Des Malers Frau im Stirnenband
derweilen wie auf „Birnen“ stand.
Sie sieht der Kämpfer Locken fliegen
im Gras sie schon wie Flocken liegen.
Auch litt des Gatten Ziegenbart,
der schön und bis zum Biegen zart.
Der Pilgrim nun zu retten naht.
Er weiß sich einen netten Rat:
er schwingt sein großes Hackebeil,
dem Lumpen blieb kein Backe heil.
Man sieht im Wald ihn schnell verschwinden,
wo man ihn sicher wird schwer finden.
Die andern aber freu’n sich sehr.
So endet diese Schüttelmär.
Berlin-Charlottenburg Herbert Breitbach
Friedburgstr. 39
46 (1931) 10, Sp. 391f.

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Anhang aus dem Nachlaß von Joseph Draf:

Die Unterlagen aus dem Nachlaß von Joseph Draf, die mir Herr  Hanke als Kopien zugänglich machte, enthalten eine große Anzahl von Schüttelreimen, die auch in der Muttersprache abgedruckt worden sind; nach dem Schriftbild sind sie wohl vorher an anderer Stelle erstmals erschienen, doch läßt sich leider nicht ermitteln, in welchen Zeitschriften das war. Lediglich bei dem Gedicht Steinklopfer-Idyll ist als Quelle Ulk (1907) angegeben. Die nicht in der Muttersprache abgedruckten Schüttelreime werden im folgenden wiedergegeben ebenso wie der Beginn eines Aufsatzes über Schüttelreime von J. Draf, dessen Fundstelle ebenfalls unbekannt bleibt. Drafs Aussage über Schüttelreime schon in Zeitschriften der siebziger Jahre ist eine Untersuchung wert, die aber noch zu leisten ist.
 

„Schüttelreime
Der Schüttelvers ist nicht so neu, wie kürzlich in dem Artikel „Versmoden“ gesagt war. Er wurde nicht etwa erst in den achtziger Jahren erfunden, sondern er fand sich schon in den siebziger Jahren in den Unterhaltungsblättern, ja sogar Rückert bringt in seinem 1833 entstandenen Gedicht Die Klanggeister eine Reihe schöner Schüttelreimzeilen. Solche dem Wesen nach mehr künstliche als künstlerische Reimerzeugnisse zu finden und sie Witzblättern anzuvertrauen, hat mir seit langer Zeit Freude bereitet. Schüttelreime machen Lust, Daß du herzlich lachen mußt! Das edle Bier beim Rütteln schäumt, Der Schüttelvers beim Schütteln reimt. Heute möchte ich den Lesern eine Auswahl selbsterdachter, noch ungedruckter vorführen, den Lebenden zur Nacheiferung!…“
 

 … Es folgen eine Reihe von Schüttelreimen, die aus der Muttersprache bekannt sind, doch auch acht Schüttelreimgedichte, die dort nicht abgedruckt worden sind. Hier sind sie:
 

Aus dem Konzert
Die Sängerin hat ein schönes Lied gesungen,
Gar trefflich ist‘s ihr, wie man sieht, gelungen:
Die Sängerin, sie sang so seelenvoll,
Drum unser Beifall ihr nicht fehlen soll.
 

Der Mutter Schmerz
Warum hat heut’ die Mutter so geflucht?
Weil ihr, bei der man nie ‘nen Floh gesucht,
Und die im Keller niemals Mäuse litt,
Die Kinder aus der Schule brachten Läuse mit!
 

Gleichmut im Schmerz
Im Schmerz der eine wie ein Heide lärmt,
Der andre sich im stillen Leide härmt.
Beim Dritten hörst Du nur ein dumpfes Stöhnen,
Und siehst, statt kräft’gen Ringens, stumpfes Dehnen.
Das Mägdlein traurig sitzt in leisem Weinen, 
Schluchzt in sein Tränentuch aus weißem Leinen.
Ein weiser Mann beim vollen Becher zeigt,
Daß nie der Schmerz den wackeren Zecher beugt.
 

Aus dem Kindesleben
Ei seht des Nachbars kleinen Veit,
Wie er stolziert im feinen Kleid!
Es brachte ihm zur Morgenstund
Ein Schwesterlein des Storchen Mund.
Den Hans du fröhlich lachen siehst.
Im Buch er lust’ge Sachen liest.
Neim Schlachten hat die Kuh gezuckt,
Der kleine Max hat zugekuckt.
Warum kein Süppchen Lotte mag?
Im Teller eine Motte lag!
 

Vom Nippen
Du hast wohl niemals mehr gelacht, 
Als wenn du‘s Fläschchen leer gemacht!
Zu eifrig nipp’ am Glase nie,
Daß dir nicht rot die Nase glüh!
Doch auch zu leises Nippen laß,
Es macht dir nur die Lippen naß!
 

Aus der Sommerfrische
Schön war es in der Schiffe Räumen
Wenn Wellen um die Riffe schäumen;
Schön auch, auf Bootes Rand zu sitzen,
Mit ihm des Ufers Sand zu ritzen.
Genug war nun am Strand gelebt,
Drum wieder ward zum Land gestrebt.
Im Gasthof wir nicht hatten Ruh,
Es gab dort manche Ratten, huh!
Auch mußten gegen Wanzenscharen,
Beim Wirt wir uns’re Chancen wahren.
Doch der frech: In der ganzen Welt,
Gibt‘s doch wohl Ratten, Wanzen, gelt?
 

Gerechte Strafe
Der Dieb in Metzgers Laden brach,
Wo mancher leck’re Braten lag.
Er schaut sich um nach fetten Kesseln;
Man wird ihn bald mit Ketten fesseln,
Und wird ihm dann die Stelle zeigen,
Wo er muß in die Zelle steigen.
 

Seufzer
Geseufzt wird von manch tücht’gem Sohne
Gar häufig in sehnsücht’gem Tone:
Wenn ich erst einmal Knaben hab’,
Die sollen’s fürwahr nicht haben knapp!
Wie anders geht dies später vielen,
Wenn sie soll’n selber Väter spielen!
 

Nicht in dem angeführten Aufsatz, sondern an anderer Stelle ist das folgende Gedicht abgedruckt worden:

Zecherspruch in Schüttelreimen
Wie trefflich mir des Rheines Weine munden!
Sie stillen tief im Herzen meine Wunden;
Und aller bangen Sorgen schwere Banden
Beim goldnen Saft der edlen Beere schwanden.
Das Glas stoßt an, bekränzt mit Rebenlaube,
Daß Schicksal uns nicht jäh das Leben raube,
Und laßt uns hier beim frohen Becher zeigen,
Daß keine Sorge kann den Zecher beugen!
 

Nur als Schreibmaschinentext fand sich schließlich noch das folgende Schüttelreimgedicht, das möglicherweise bisher nirgendwo veröffentlicht worden ist:

Herr Schulz auf Capri
Herr Schulz, ein reicher Fabrikant,
Es gar so schön auf Capri fand:
Er ging mit Schritten sehr gemessen,
Hat Abends oft am Meer gesessen,
O, denkt er, solch’ ein südlich Meer,
Dran sitzt man doch gemütlich sehr;
Wenn man auf Alpenfirne steigt,
Wird nur zu sehr die Stirne feucht;
Hier gehn am Stand auf Krücken rum
Viel Bettler, deren Rücken krumm:
Sie alle wohl am Ende hoffen:
Der Fremde hat die Hände offen.
Den Dingen nie er ferne stand,
Woran im Buch er Sterne fand;
Er brauchte viele Liren auf,
Sie fanden alle ihren Lauf;
Der blauen Grotte Ziel er fehlt’,
Doch hat zu Haus er viel erzählt;
Viel vom Vesuv er sagen wollt’,
Er wußt’ nicht, ob er’s wagen sollt’,
Er war ja gar nicht obendrauf,
Viel Feuer flammte drobenauf!
Drum sagt er nur: Im fernen Land,
Ja, dort ich viel zu lernen fand!

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Autoren-, Initialen- und Pseudonymenregister
(Fett und kursiv gedruckte Zahlen verweisen auf biographische Hinweise)
 
Aaba (Pseudonym von Roda-Roda, Alexander)
21, 31-34
Bally, Adolf v.
68, 69
Bischoff, A.
74
Breitbach, Herbert
77, 78
D.
4
D., J. s. a. Draf, Joseph
10
Dolfs, Harun (Pseudonym von Rudolf Skutsch
und Hans Gradenwitz) 
75
Drach, Joseph s. Draf, Joseph   
Draf, Joseph 
10, 63-64, 65-67, 69, 72-74, 79-82
Dülberg, Franz s. Erzfragbündl  
Erzfragbündl (Pseudonym von Franz Dülberg) 
21, 33
Etzel, Gisela
32
Gradenwitz, Hans s. Dolfs, Harun  
Gürsching (Dekan)
74
Heller, S.
77
Herold, Ernst
37
Herold, Johannes 
 63, 68, 70
Hoffs, Fr. von
 3
Josephus
 24, 25
Kelling, K.
 70, 71
Küll
 68
M., H.
 4
M., R.
 4, 5
Mumelter, K.
 63, 75
P., E.
17 
Peiser, Curt s. Tom der Schüttelreimer  
R.
 20
Reginhard
 29
Reimarus Schüttel s. Schüttel, Reimarus  
Richter, Johannes
 37
Roda-Roda, Alexander s. a. Aaba 
 30, 31
Rosenbaum, Kory Elisabeth s. Towska, Kory  
S.
 18
S., F. 
 4
S., W.
 9
Sch., H.
 5
Sch., P. 
 13
Sch., P. A.
 15
Schott, H.
 5
Schüttel, Reimarus
 13-17, 19, 20
Schwarzbach, Paul
 76, 77
Si. 
 34, 35
Skutsch, Rudolf s. Dolfs, Harun  
Tom der Schüttelreimer 
(Pseudonym von Peiser, Curt)
 39-40, 41-62
Towska, Kory (Pseudonym von Rosenbaum, Kory Elisabeth
 7,15
Trum.
 19
W.
 4
W., A. v.
 4
W., F. K.
 4
Wolf, Eugen
75, 76



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